Darmstädter
Echo, 29. Oktober 2015
Das schnellste Flüchtlingsbuch - Der Darmstädter
Surface-Verlag veröffentlicht den Band Ende November, 280
fotografische Porträts, Autor: Paul-Hermann Gruner
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der Text noch einmal für Google:
DARMSTADT
- Die sogenannte Flüchtlingskrise ist oft eine abstrakte
politische und menschliche Situation. Eine höchst aktuelle
Buchproduktion gibt nun den Geflüchteten meist aus
Afghanistan oder Syrien sowie den Helfern aus Organisationen
und der gesamten Darmstädter Zivilgesellschaft ein Gesicht.
Lange Zeit blieb das Problem der Flüchtlingszüge aus
Eritrea, aus West- und Nordafrika sowie dem arabischen Raum symbolisch
verknüpft mit dem Inselnamen Lampedusa. Das hat sich radikal
geändert.
Seit diesem Jahr kommen unter anderem syrische Flüchtlinge
in großer Zahl nach Deutschland. Auch nach Darmstadt. An
zwei Tagen Mitte September allein kamen rund 700 Schutzsuchende
in die Stadt. Wie ihre Bürger und die Neuankömmlinge
dies erleben, wie Erstere die vielen damit verbundenen Aufgaben
bewältigen, das dokumentiert nun ein bemerkenswert aktuelles
Buch.
Die allermeisten blicken in die Kamera
Willkommen in Darmstadt serviert wenig Text, aber
viele Blicke in Gesichter. 280 Porträts von Menschen auf
der Flucht, von Helfern, Ärzten, Dolmetschern, ehrenamtlich
engagierten Bürgern. Die allermeisten blicken direkt in die
Kamera.
Das erste Mal wagt sich die Edition Darmstadt im Verlag Surface-Book
mit seinen Design-Publikationen im Format 14 mal 12 Zentimeter
an ein aktuelles, politisches Themenfeld. Angemessen und gelungen.
Passgenau auch für das Phänomen der Moderne, dass Städte
zu Integrationsmaschinen werden. Werden müssen
und werden wollen.
Band 114 der Edition Darmstadt wurde wie stets fast gänzlich
von Christoph Rau fotografiert. Der rasende Fotograf war permanent
unterwegs, nachts wie tags. Die gesamte Aufgabe ist sehr
berührend, erzählt er, das nimmt einen emotional
auf die Reise.
Und zwar in jeder Beziehung. Sowohl, was die Beobachtung
so vieler erschöpfter, übernächtigter Flüchtlinge
anbelangt, als auch in Bezug auf uns hier im Lande. Es ist,
bringt es Rau auf den Punkt, unglaublich faszinierend zu
sehen, wie gut Deutschland funktioniert. Rotes Kreuz, Feuerwehr,
Katastrophenschutz, die Stadt, die freiwilligen Helfer, die Senioren,
die Studenten fantastisch. Die Dynamik ist unglaublich.
Und das macht mich total stolz auf die Bürger in dieser Stadt.
In Zeiten abgesicherter Persönlichkeitsrechte schafft es
Rau, von jedem Porträtierten die Einwilligung für den
Fotoabdruck zu bekommen, mit Unterschrift bestätigt. In der
Regel brachte er den Fotografierten auch Tage später ein
paar Abzüge in ihre Unterkunft, ob im Zelt, in der umgewidmeten
Turnhalle oder im Offenen Treff Waldkolonie, wo mit Flüchtlingskindern
gespielt und mit den Erwachsenen Deutsch gelernt wird. Die Fotoübergabe
wurde immer zu einem besonderen Moment der Nähe. Und Rau
hat für die Armada der Papierabzüge sogar einen eigenen
Sponsor finden können: das Apothekerpaar Miriam und Christian
Ude. Gewusst wie eben. Die Selbstermächtigung der Zivilgesellschaft
offenbart so auch ganz spontansolidarischen Qualitäten.
Die Menschen sichtbar machen
Verleger Gerd Ohlhauser gibt zu: Die sogenannte Westbalkanroute
und die damit verbundenen Migrantenschicksale waren für ihn
lange wie für viele andere auch etwas, was
sich zwischen Radio, Tagesschau und Heute-Journal abspielt. Für
ihn diente das Buchprojekt von Beginn an dazu, die Flüchtlinge
sichtbar zu machen. Der nächtliche Besuch im einstigen
Postverteilzentrum, in dem Flüchtlinge eines Nachts mit Bussen
aus Hanau ankamen, war für Ohlhauser eine fast surreale
Erfahrung. Alles in hellstes Licht getaucht, überall Polizei,
Feuerwehr und Kräfte des Katastrophenschutzes mit Schutzwesten
und Atemmasken komplett unwirklich das Ganze, und dazwischen
die fast apathischen Flüchtlinge.
Zu gut einem Drittel wird das Buch den Helfern gewidmet sein.
Auch diese gilt es ja aus einer freundlich-wattigen Anonymität
herauszuführen und konkret wertzuschätzen.
Heiner Müller zum Beispiel. Mit 91 Jahren hilft er fleißig
mit im Treff in der Waldkolonie, spielt mit Kindern und Jugendlichen,
übt Basis-Deutsch mit Migranten aus Afghanistan. Oder Hartmut
Weber (65), ehedem Elektroingenieur und Berufsschullehrer, der
beim Helfen auch an seine eigene Familie denken muss: Ihn auf
dem Arm, flüchtete seine Mutter aus der ehemaligen DDR.
Die Frauenporträts und das Patriarchat
Bei Kindern ist das Verhältnis hübsch ausgewogen, aber
die Zahl der Porträts erwachsener Männern wird deutlich
höher liegen als die der Frauen. Viele ließen sich
fotografieren, gaben dann aber keine Einwilligung zur Veröffentlichung.
Und das hat natürlich mit den patriarchalen Strukturen
zu tun, so Rau. Ohne die Zustimmung der Ehemänner
geht oft gar nix. Ein ethisch-kulturelles Problem, das nun
aus den Herkunftsgesellschaften nach Deutschland mit hineingetragen
wird.
Auch das gehört mit zum Spektrum der Herausforderung eines
Aufnahmelandes. Und Deutschland wird noch viel Problemlöserkompetenz
benötigen. Das schnellste Buch der Republik zu diesem großen
Thema jedenfalls kommt wahrscheinlich aus Darmstadt.
Willkommen in Darmstadt erscheint Ende November im
Verlag Surface-Book (Darmstadt), Band 114, 320 Seiten, 14,80 Euro.
Zwei Euro gehen an die Flüchtlingshilfe. Als Herausgeber
fungiert die Stadt Darmstadt. Bestellen kann man das Buch bereits
jetzt via Internet: www.surface-book.de.